Torgau Jugendwerkhof Ausziehen

Im Geschlossenen Jugendwerkhof Torgau herrschte eine allgegenwärtige, fast militärische Hierarchie. Diese wurde sofort gegenüber den Neuankömmlingen aufs deutlichste demonstriert, indem sie gezwungen wurden, sich von dem Erzieher mit Befehlen anschreien zu lassen, sich ständig vor diesem im Laufschritt fortzubewegen und sich ungeschützt vor dem Erzieher ausziehen und duschen zu müssen. DDR-Umerziehung - Heimkinder in der DDR - deutsch - YouTube. Der gleiche Haarschnitt und die uniforme Kleidung betonten die Entindividualisierung und gab den Jugendlichen das Gefühl, Menschen zweiter Klasse zu sein. Gruppenbereich Jungen (Quelle: © Gedenkstätte Geschlossener Jugendwerkhof Torgau) Unter den Jugendlichen in der Gruppe gab es trotz der äußerlichen Uniformität eine bestimmte Hackordnung, die sich unter anderem aus der willkürlichen Vergabe von Ämtern durch die Erzieher an die Jugendlichen ergab. In Torgau spielte nämlich das "unmittelbare System kollektiver Selbsterziehung" (Daniel Krausz: Jugendwerkhöfe in der DDR. Der Geschlossene Jugendwerkhof Torgau, Hamburg 2010, S. 76) eine ausgesprochen wichtige Rolle.

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Wir alle galten als politisch unbelehrbar. Gerade das sollte sich in den Jugendwerkhöfen ja ändern … Katrin Büchel: Und dazu haben sie uns unserer Freiheit beraubt! Ich war insgesamt vier Jahre in Durchgangsheimen und Jugendwerkhöfen eingesperrt. Auch dort habe ich versucht, mich den Regeln der sozialistischen Erziehung zu entziehen. Und bin immer wieder abgehauen, wurde aber wieder zurück gebracht. Ich glaube, ich war damals eines der meist gesuchten Kinder in der DDR. Dann wurde ich nach Torgau eingewiesen. Was war in Torgau anders? Katrin Büchel: Dort gab es drei Meter hohe Mauern mit einbetonierten Scherben und Stacheldraht. Das war ein Hochsicherheitstrakt. Es gab keinen Weg raus. Da war ich fast sechs Monate. Die erste Körperverletzung gab es gleich zu Beginn: Bei Ankunft wurden uns die Haare auf zwei Zentimeter gestutzt. Alle kamen dann mehr als drei Tage in Einzelarrest, um die Hausordnung auswendig zu lernen. Und wir hatten alle Anstaltskleidung. Wir durften nichts Persönliches behalten.

Kuzia erzählt von den Tagen, die nur manchmal mit Frühstück, aber immer mit erschöpfendem Sport im Hof begannen und nach acht Stunden harter Arbeit auch damit endeten. Bei nicht konformem Verhalten eines Einzelnen gab's Extra-Strafen für die gesamte Gruppe. Sie musste dann zum Beispiel in der Hocke das Treppenhaus hinauf und wieder hinunter gehen — und das 30-mal. Auch auf Toilette durfte man nur in Fünfergruppen, ohne Trennwand. Wer außerplanmäßig musste, durfte nicht. "In die Hose zu machen, war Beschädigen von Volkseigentum. Darauf stand wiederum Strafe", erklärt Kuzia. Die Schüler sind fassungslos. Außer Treppensteigen im Entengang und dem "Torgauer Dreier" (je 150 Kniebeugen, Liegestützen, Strecksprünge ohne Pause) gab es als Strafe zwei Tage in der lichtlosen, feuchten "Dunkelzelle" für Mädchen, für Jungs im "Fuchsbau", 0, 6 Meter breit und 1, 20 hoch. "Das ist voll schlimm so zu leben", sagt Alice (16) im Anschluss. "Es ist schlimm, wie Kinder in ihrem Willen gebrochen und psychisch missbraucht wurden", fasst es Alexander (16) zusammen.